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ARGE NorikerApr 2020 / Noriker

Anpassungen und Änderungen im Zuchtprogramm Noriker

Züchterische Entwicklung in den letzten Jahren

Tierzucht ist ein dynamischer Prozess, der sich permanent weiterentwickelt und sich den gesetzlichen- sowie marktpolitischen Rahmenbedingungen anpassen muss. Die Umsetzung der europaweiten Tierzuchtverordnung EU 2016/1012 machte eine Anpassung der Zuchtprogramme erforderlich. Die in der ARGE Noriker Österreich organisierten Landespferdezuchtverbände nahmen dies zum Anlass, um das Zuchtprogramm Noriker auf Basis der Erfahrungswerte in den letzten Jahren und Jahrzehnten zu überarbeiten. Die Norikerpopulation hat sich in den letzten 25 Jahren durch die Einführung des Generhaltungsprogramms und die Anerkennung als gefährdete Haustierrasse im Österreichischen Umweltprogramm (ÖPUL) gefestigt und stabilisiert. Der Genpool wurde bei einigen Hengstlinien und Farbschlägen wieder deutlich erweitert und der Verwandtschaftsgrad der Tiere durch die sorgfältige Zuchtarbeit und zunehmende Populationsgröße verkleinert.

In dieser Zeit hat sich aber auch der Phänotyp, also das Erscheinungsbild unserer Norikerpferde deutlich geändert. Unsere Zuchtstuten sind in dieser Zeit im Durchschnitt um rund 5 cm größer geworden und so betrug das Durchschnittsstockmaß bei den Neuaufnahmen im letzten Jahr 160,5 cm. Die Pferde haben mehr Körperlänge, mehr Rahmen und mehr Linie bekommen. Das Norikerpferd hat sich vom Format in Richtung Langrechteck entwickelt. Die Bewegungsabläufe insbesondere in Trab und Galopp entwickelten sich entsprechend den verwendungsbedingten Vorgaben. Der Trab wurde demnach raumgreifender und schwungvoller mit wesentlich mehr Rückentätigkeit und die Galoppade leichtfüßiger und besser durchgesprungen mit wesentlich mehr Bergauftendenz.

Diese Eigenschaften werden heute von einem universellen Freizeitpferd verlangt. Die seinerzeitigen Forderungen, dass die Norikerrasse moderner werden und die Zucht einem heutigen Verwendungszweck angepasster werden müsste, wurden demnach nahezu perfekt erfüllt und umgesetzt.

Die Zuchtstuten und –hengste wurden aber auch korrekter und stabiler im Fundament und die Bewegungsabläufe deutlich geradliniger. Insbesondere wurde hier durch eine strenge Selektion bei der Zuchtzulassung der Hengste und Stuten wertvolle Arbeit geleistet und somit erhöhte sich beispielsweise die durchschnittliche Bewertung der Zuchtstuten in diesen 25 Jahrgängen um über 2 Zehntel auf eine Wertnote von 7,64. Dies ist sehr beachtlich und hierzu darf allen seinerzeitigen Entscheidungsträgern, die diese konsequente Entwicklung vorantrieben, sowie allen Züchterinnen und Züchtern herzlich gratuliert werden!

Bei der Überarbeitung des Zuchtprogrammes wurde jedoch nicht nur diese Entwicklung analysiert, sondern auch zukunftsorientierte Überlegungen mit einbezogen und es ergaben sich folgende Fragestellungen: Wo soll die Norikerrasse in 25 Jahren stehen? In welche Richtung sollen sich die Pferde weiter entwickeln?

Diese Fragen können aus heutiger Sicht nicht definitiv beantwortet sondern nur eingeschätzt werden. Unser heutiges Tun und Handeln, alle Selektionsmaßnahmen die heute gesetzt werden beeinflussen jedoch das künftige Erscheinungsbild und die Entwicklung der Norikerrasse maßgeblich und daher ist jede Maßnahme gut zu durchdenken und zu hinterfragen.

Im Kreise der Entscheidungsträger in der ARGE Noriker Österreich war man sich jedoch einig, dass das Norikerpferd im derzeitigen Erscheinungsbild keine großen Änderungen mehr Bedarf. Hinsichtlich der Größenentwicklung ist ebenfalls ein Punkt erreicht, der nicht mehr allzu sehr überschritten werden sollte. Vielmehr gilt es darauf zu achten, dass insbesondere die rassetypischen Charaktereigenschaften erhalten bleiben und die noch vorhandenen rassetypischen Kaltblutmerkmale abgesichert und gefestigt werden sollten. Das Norikerpferd braucht nicht mehr sportlicher, leichter und moderner werden, sondern soll auch künftig den Anforderungen eines vielseitig einsetzbaren Partners gerecht werden, der auch im Arbeitseinsatz und schweren Zug genauso zu finden ist, wie in der Freizeitreiterei.

Nach intensiver zweijähriger Diskussion wurden nun die Anpassungen und Abänderungen im Zuchtprogramm im Tierzuchtrat, dem zentralen Entscheidungs- und Empfehlungsgremium der Tierzuchtbehörden, genehmigt. Die Umsetzung des aktuellen Zuchtprogramms und somit der Änderungen wird ab dem Eintragungsjahrgang 2020 angestrebt.

 

Änderungen und Neuerungen

Im nachfolgenden Teil sollen die wesentlichsten Änderungen und Ergänzungen kurz erläutert werden:

Bei den Stuten werden die Idealmaße von 156 bis 164 cm definiert und somit leicht angehoben. Bei der Beurteilung des Exterieurs wird es künftig ab 2 cm Über- oder Unterschreiten der Idealmaße zusätzlich 1 Punkt Abzug bei der Typnote geben. Besonders qualitätsvolle Stuten sollen mit der Einführung eines Prämienstutbuches, welches über dem Hauptstutbuch steht, herausgestellt und deren Nachzucht dadurch entsprechend aufgewertet werden. Es wird hierbei die Leistungsprämie, die Verbandsprämie, die Staatsprämie und die Elite-Zuchtprämie geben. Die Elite-Zuchtprämie zielt auf Stuten mit besonderer Nachzuchtleistung ab. Die Beurteilung erfolgt dabei anhand einer Punktetabelle und die Eintragung erfolgt auf Antrag des Besitzers.

Bei der Verleihung der Staatsprämie fällt künftig die zeitliche Befristung für das Fohlen weg. Neu ist ebenfalls, dass die betreffende Stute bei der Bundesschau mit der Schauklasse 1a oder 1b bewertet werden muss oder bei der Stutbucheintragung eine Wertnote von mindestens 8,00 erreichen muss.

Die Hengstmutterkriterien werden aufgrund der qualitativen Entwicklung der Stuten angepasst und so muss ab dem Eintragungsjahrgang 2020 die Hengstmutter ein Stockmaß von 156 bis 168 cm und Wertnote von mindestens 7,50, die Mutter der Hengstmutter ein Stockmaß von 153 cm und Wertnote von mindestens 7,40 haben. Bei der Exterieurbeurteilung darf keine Wertnote unter 6,0 sein. Diese Regelungen gelten allerdings nur für die Neueintragungen. Alle bisher als Hengstmutter eingetragenen Stuten bleiben auch weiterhin als solche eingetragen. Ebenfalls kann auch künftig die Anerkennungskommission zur Erhaltung der genetischen Vielfalt Ausnahmen zulassen.

Eine weitere Ausnahme wird es künftig für Stuten von Vätern, die im Testhengstbuch eingetragen sind, und Müttern, die im Grundbuch eingetragen sind, geben. Diese Stuten können mit einer positiven Leistungsprüfung (Feld- oder Stationsprüfung) mit der Mindestwertnote 6,5 wieder in das Hauptstutbuch eingetragen werden.

 

Die Hengste spielen bei den Selektionsmaßnahmen eine zentrale Rolle, da bei den Hengsten die Reproduktionsraten deutlich höher sind als bei den Stuten. Die Selektion muss demnach gezielter und konsequenter erfolgen.

Beim zweieinhalbjährigen Hengst betragen demnach die Idealmaße im Stockmaß 158 bis 163 cm. Die Obergrenze wird bis zum vierjährigen und älteren Hengst um jeweils 1 cm nach oben angepasst bis auf 165 cm. Ab 2 cm Über- oder Unterschreiten der Idealmaße ist auch bei den Hengsten verpflichtend zusätzlich 1 Punkt Abzug bei der Typnote vorgesehen. Das absolute Höchststockmaß bei der Hengstkörung beträgt 167 cm für den zweieinhalbjährigen Hengst, 168 cm für den dreijährigen sowie 169 cm für den vierjährigen und älteren Hengst. Das Mindeststockmaß beträgt weiterhin 156 cm beim zweieinhalbjährigen, 157 cm beim dreijährigen und 158 cm beim vierjährigen Hengst.

Die für das positive Absolvieren der Hengstkörung und Eintragung in das Testhengstbuch erforderliche Mindestwertnote im Extierieur wird von 7,50 auf 7,64 angehoben. Mit diesem Schritt wird der qualitativen Entwicklung im Exterieur Rechnung getragen und der eingetragene Testhengst sollte künftig in der Qualität seines Exterieurs der durchschnittlichen Zuchtstute entsprechen.

Mit der Eintragung in das Haupthengstbuch ist weiterhin die positive Absolvierung einer 30-tägigen Stationsprüfung verbunden. Die erforderliche Mindestnote wird dabei von 6,0 auf 6,5 erhöht. Dies dürfte jedoch in der Zuchtpraxis relativ wenig Auswirkung haben, da beispielsweise die schwächeren Hengste des Prüfungsjahrganges 2019 eine Wertnote von etwa 7,70 erreichen konnten.

Zur weiteren Reduktion des Verwandtschaftsgrades innerhalb der Zuchtpopulation wird bei den Hengsten ein maximaler Inzuchtkoeffizient über 4 Generationen gerechnet von 4,5% eingeführt. Hengste, deren Inzuchtkoeffizient höher ist, werden nicht mehr zur Körung zugelassen. Dies ist jedoch ebenfalls sehr liberal bemessen, denn beispielsweise bei einem gemeinsamen Vorfahren in der 3. Vorfahrensgeneration liegt der Inzuchtkoeffizient bei 3,13%.
Die Eintragung in das Testhengstbuch wird auf die Dauer von maximal 2 Jahren befristet. In dieser Zeit wird die Fruchtbarkeit der Hengste festgestellt und der Hengst soll eine positive Stationsprüfung absolvieren, damit er in das Haupthengstbuch eingetragen werden kann. Andernfalls wird der Hengst wieder in das Grundbuch zurückgestuft.
Für ältere Hengste mit besonderer Nachzuchtleistung wird aliquot zu den Stuten ein Prämienhengstbuch eingeführt, um diese Hengste besonders auszuweisen.

Die DNA-Markertypisierung bei der Registrierung der Zuchttiere bleibt weiterhin bestehen. Entsprechend der rechtlichen Vorgaben werden künftig aber mindestens 5% der Abstammungen durch eine Abstammungssicherung kontrolliert. Ebenfalls werden bei bundesweiten zentralen Zuchtveranstaltungen und Selektionsmaßnahmen wie beispielsweise die Hengstkörung, die Hengstleistungsprüfung oder die Bundesjungstutenschau Medikationskontrollen und Bluttests durchgeführt.  

Bei der Überprüfung der Leistungsveranlagung (Feld- und Stationsprüfungen) gibt es ebenfalls einig kleinere Änderungen und so wird beispielsweise künftig eine Platzgröße von 30 x 60 m ausreichend sein, da die Schwachholzstange auf 5m verkürzt und dafür der Torabstand verkleinert wird.

 

Die angeführten Adaptierungen und Änderungen sind nur eine Auswahl des gesamten, beschlossenen Maßnahmenpaketes. Tierzucht ist auch weiterhin Landessache und so wird es wieder 7 Zuchtprogramme für die Rasse Noriker geben. Diese Programme sind jedoch inhaltlich ident und gleichlautend, um weiterhin eine gemeinsamen Vorgangsweise und Anerkennung der Zuchttiere in der ARGE Noriker zu gewährleisten. Die genannten Maßnahmen sind meist Kompromissentscheidungen um die gemeinsame Umsetzung zu ermöglichen.
An der Rasse Noriker wird ersichtlich, wie durch intensive, konsequente und fachlich fundierte Zusammenarbeit zwischen der Züchterschaft und den Entscheidungsträgern die züchterische Entwicklung einer Rasse beeinflusst werden kann. Die Weiterentwicklung der Norikerrasse in den letzten 25 Jahren ist mit Sicherheit beispielgebend und angesichts der gelebten Praxis können wir zuversichtlich und mit Weitblick in die Zukunft blicken!


Die jeweiligen Zuchtprogramme finden Sie auf den Seiten der Landespferdezuchtverbände!

 

DI Johann Wieser
Zuchtkoordinator der ARGE Noriker Österreich

 

 

 

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